Tunnelkompetenz

“Gemeinsam mehr erreichen”

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Lesedauer: 10 Minuten

Wie aus Wettbewerb eine Erfolgsgeschichte wurde. Und was der Lötschberg-Tunnel damit zu tun hat.

Im Bahntechnikmarkt ist die Rhomberg Sersa Rail Group eine feste Größe. Doch hinter dem Erfolg steht eine außergewöhnliche Geschichte der Annäherung zweier Unternehmen und Persönlichkeiten. Im Gespräch blicken Koni Schnyder, President Owner Board der Rhomberg Sersa Rail Group, und Hubert Rhomberg, Member Owner Board, zurück auf die Anfänge der Zusammenarbeit, schildern zentrale Meilensteine, Unterschiede, Gemeinsamkeiten – und erklären, warum Vertrauen, Unternehmenskultur und Innovationsfreude entscheidender sind als jede Hierarchie. 

Herr Rhomberg, Herr Schnyder, erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Treffen? 

 

Koni Schnyder: In bleibender Erinnerung ist mir ist mir, als Huberts Familie uns in Finnland besuchte. Dieses Treffen gab uns die Gelegenheit, einander außerhalb des Geschäftlichen, konkret beim Grillieren eines Lachs am offenen Feuer, zu „beschnuppern“. Ich denke, ab diesem Moment wussten wir beide, dass wir zwar unterschiedlich sind, uns jedoch gegenseitig voll und ganz respektieren und auf dieser Basis Vertrauen aufbauen können.  

 

Hubert Rhomberg: Das erste Mal hatten wir am Lötschberg-Tunnel miteinander zu tun. Wir arbeiteten gemeinsam an einem Auftrag, den wir mit der damaligen Rhomberg Bahntechnik gewonnen hatten, die einstige Sersa unterstützte uns mit sämtlichen Schweiß- und Beistellungsleistungen wie Lokomotiven und Lokführern. Persönlich kannten wir uns zuvor nicht, lediglich unsere Unternehmen waren dem jeweils anderen natürlich ein Begriff. Ich glaube, für Koni waren wir zunächst ein potenziell bedrohlicher Wettbewerber, der über das Projektgeschäft in den Schweizer Markt drängte. 

 

 

Gab es schon zu „Lötschberg-Zeiten“ eine besondere Verbindung oder Sympathie? 

 

Koni Schnyder: Hubert und ich philosophierten schon im Jahr 2005 über die Herausforderungen in unserer Branche und 2008 hat uns die Familie Rhomberg eine Maschine abgekauft. Es war ein kontinuierliches Herantasten, das immer auf gegenseitiger Wertschätzung und Respekt beruhte und in einer erfolgreichen, gemeinsamen Abwicklung des Lötschberg-Tunnel-Projekts gipfelte. 

 

Hubert Rhomberg: Anfangs war das eher professionell. Während der Angebotslegung und später dann der Arbeit am Lötschberg-Projekt wuchs jedoch eine faire und herzliche Beziehung. Koni punktete z. B. anfangs damit, dass die Sersa uns modernste, eigens für das Projekt angeschaffte Loks – er liebt ja Logistikloks – zur Verfügung gestellt hat. Wir konnten überzeugen, indem wir etwa gegenüber unserem Auftraggeber immer als EIN Team, und nicht als Auftragnehmer und Subunternehmer, aufgetreten sind. Insgesamt, denke ich, haben wir uns gegenseitig immer wieder bewiesen, dass wir zuverlässige Partner sind, gerade auch in schwierigen Momenten. 

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"Ich habe in Hubert einen Partner und Sparringpartner gefunden, von dem ich weiss, dass ich ihm voll und ganz vertrauen kann. Das ist in der heutigen Zeit leider nicht mehr selbstverständlich. "
Koni Schnyder
President Owner Board

Wann kam es dann zu einem engeren Kontakt? 

 

Hubert Rhomberg: Persönlich näher gekommen sind wir uns erstmals bei der Eröffnung des Lötschberg-Tunnels. Davor haben wir uns zwar immer mal wieder gesehen, bspw. bei den Vertragsverhandlungen, sonst aber kaum. 

 

Als wir beim erfolgreichen Abschluss dieses Großprojekts dann allerdings gemeinsam gefeiert haben, und auch gesehen haben, was der jeweils andere geschafft hat, entstand ein echtes gegenseitiges Interesse. 

 

Koni Schnyder: Nach dem erfolgreichen Abschluss des Lötschberg-Projekts kam die Frage eines Zusammenschlusses auf. Hubert und mir war klar, dass die persönliche Basis dafür vorhanden war.  

 

 

Wie wurde daraus die Idee, gemeinsam etwas Größeres aufzubauen? 

 

Koni Schnyder: Da die Sersa führend im Markt Schweiz war, überdies schon damals viel Schmalspur-Erfahrung gesammelt hatte sowie über Triebfahrzeuge verfügte und die Rhomberg Bahntechnik ihrerseits im Markt Österreich führend war und schon über viel Erfahrung beim Bau der Festen Fahrbahn verfügte, machte der Zusammenschluss Sinn. Indem die Sersa den Markt Kanada einbrachte und die Rhomberg Bahntechnik den Markt Australien, entstand überdies eine regional gut diversifizierte Gruppe. 

 

Hubert Rhomberg: Wie Koni schon angedeutet hat: Wir haben uns einfach perfekt ergänzt – sowohl persönlich als auch, was unsere Unternehmensgruppen betraf. Koni und ich ticken als Menschen völlig unterschiedlich – ich bin eher mit Weitblick, langfristig unterwegs und denke ganzheitlich, Koni ist sehr strukturiert und fokussiert. Nichtsdestotrotz, oder vielleicht gerade deswegen, haben wir ein immenses Vertrauen in- und großen Respekt füreinander. Außerdem schwimmen wir als Familienunternehmer bei Themen wie Kultur, Innovationsbereitschaft, Technologieoffenheit etc. voll auf einer Wellenlänge. 

 

Die Kompetenzen der Bahntechnik-Unternehmen Rhomberg und Sersa waren auch sehr unterschiedlich, ergaben aber genau dadurch enorme Synergien. Die Rhomberg Sersa Rail Group heute hat einen Leistungskatalog – nicht nur im Bereich der Tunnelsanierung und -ausrüstung –, der ohne Zweifel in der Branche an Umfang und Zusammensetzung einzigartig ist.  

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"Grundsätzlich ist unsere Verbindung, glaube ich, wie der Eurotunnel zwischen England und Frankreich: eine langfristig gedachte, stabile Verbindung zwischen zwei Welten."
Hubert Rhomberg
Member Owner Board

Gab es besondere Ereignisse, die diese Zusammenarbeit gefestigt haben? 

 

Hubert Rhomberg: Auf persönlicher Ebene kann ich diesen einen “Aha-Moment” nicht fixieren. Es war einfach jedes Mal, wenn ich mit Koni zu tun hatte, ein sehr wertschätzendes, angenehmes Miteinander. Fordernd zwar, weil sowohl er als auch ich starke Persönlichkeiten sind, aber am Ende immer erfolgreich. 

 

Auf Unternehmensebene gibt es ihn dagegen für mich schon. Das war die erste große gemeinsame Ausfahrt am Vierwaldstättersee. Das ganze Team war zusammen auf einem Schiff unterwegs – das hat richtig Zusammengehörigkeit geschaffen. 

 

Koni Schnyder: Aus meiner Sicht waren es die aus unternehmerischer Sicht anspruchsvollen Momente, welche unsere Zusammenarbeit gefestigt haben. Ich denke hier beispielsweise an die herausfordernde Situation in Australien im Jahr unserer Fusion, an den Kauf der drei Firmen von Balfour Beatty in Deutschland oder die nicht einfachen Verhandlungen beim Zukauf von Anteilen der Firma in Kanada, später die Herausforderungen rund um Stuttgart 21.  

 

 

Und fachlich? Gibt es Projekte, die besonders im Gedächtnis geblieben sind? 

 

Hubert Rhomberg: Der Koralmtunnel fällt mir da sofort ein. Dort haben wir erstmals alle Leistungen bei der Ausrüstung und im Gleisbau als echte Eigenleistung angeboten. Zuvor sind wir zwar ebenfalls als Totalunternehmer aufgetreten, haben aber viele Leistungen über Subunternehmen integriert. Mit unserem Zusammenschluss und den damit verbundenen Synergien wollten wir als Rhomberg Sersa Rail Group uns klar zum Komplettanbieter Bahntechnik entwickeln, um alles selbst anbieten und entsprechend transparent und wirtschaftlich kalkulieren zu können. Und beim Koralmtunnel – ebenso wie übrigens der Semmering-Basistunnel, bei dem wir erst jüngst ebenfalls das Gesamt-Leistungspaket gewinnen konnten – ist uns das gelungen. Für mich der Beweis, dass unsere Strategie aufgegangen ist. Hier konnten und können wir alles zeigen, was wir in den vergangenen 20 Jahren aufgebaut haben. 

 

Koni Schnyder: Ja, der Koralmtunnel. Bei dem konnten wir zeigen, dass wir die Komplexität der verschiedenen Bereiche beherrschen. Das ist sicherlich ein Meilenstein unserer gemeinsamen Gruppe. Persönlich stolz bin ich auch darauf, dass wir den Neubau der ICE-Instandhaltungshallen in Cottbus gewinnen konnten. Dieses Projekt wurde nach einem neuen, innovativen Partnerschaftsmodell Schiene vergeben, bei dem die Planungs- und Baufirmen schon sehr früh in das Projekt eingebunden und am gemeinsamen Erfolg beurteilt werden. Wir konnten unsere Kompetenzen als Komplettanbieter voll einbringen und wurden, wohl auch deshalb, beim Bau der zweiten Halle durch die DB wiederum berücksichtigt. 

Wenn man sich die Integration der beiden Unternehmen anschaut: Wie gelingt es, dass aus vielen Standorten eine Gruppe wird? 

 

Hubert Rhomberg: Indem wir Vorbild sind. Koni und ich arbeiten partnerschaftlich, vertrauensvoll und freundschaftlich zusammen – das strahlt aus. Außerdem haben wir ein dezentrales Modell beibehalten, das unternehmerische Freiheit ermöglicht, aber Kooperation in der Gruppe fördert. 

 

Koni Schnyder: Wie bereits erwähnt, wir waren von Beginn an sehr komplementär, als Unternehmer wie auch mit Blick die beiden fusionierten Unternehmen. Der zwischenzeitlich in der Umsetzung weit fortgeschrittene, weltweite Auftritt unter einem Brand „Rhomberg Sersa Rail Group“ hat aber sicherlich auch geholfen, das Gemeinsame bis die letzte Ecke unserer Unternehmung sichtbar zu machen. Nicht ohne Stolz darf ich hier festhalten, dass uns die einzelnen Standorte mit ihren Ideen und Vorschlägen zur Umsetzung der One-Brand-Strategie mitunter sehr positiv überrascht haben. Wir Eigentümer durften spüren, dass die Standorte zu einer Gruppe zusammenkommen wollten, nicht mussten. 

 

 

Um noch einmal zurück auf die persönliche Ebene zu kommen: Herr Rhomberg, was schätzen Sie an Herrn Schnyder am meisten? 

 

Hubert Rhomberg: Seine konsequente Leidenschaft für die Bahn und den Bahnbau. Er ist immer noch direkt interessiert, fachlich wie strategisch. Und menschlich: Mit ihm kann man über alles sprechen – von Technik- über Finanz- bis hin zu Innovationsthemen. Das macht einfach Spaß. 

 

 

Herr Schnyder, was schätzen Sie an Herrn Rhomberg am meisten?  

 

Koni Schnyder: An Hubert schätze ich seine offene, direkte und ehrliche Art und dass er immer und konstant über den Tellerrand hinausdenkt. Hubert ist ein Schnelldenker, der stetig versucht, kreative Lösungen zu finden. Gemeinsam teilen wir eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Ist-Zustand, wollen unsere Gruppe voranbringen und entwickeln. 

Was haben Sie persönlich voneinander gelernt? 

 

Koni Schnyder: Ich habe in Hubert einen Partner und Sparringpartner gefunden, von dem ich weiß, dass ich ihm voll und ganz vertrauen kann. Das ist in der heutigen Zeit leider nicht mehr selbstverständlich.  

 

Hubert Rhomberg: Ich habe von Koni eine sehr gute Vorbereitung und effiziente Sitzungsführung gelernt – wie Koni das handhabt und umsetzt, hat mich sehr beeindruckt und geprägt. Daneben gibt es viele andere Bereiche, in denen ich dank Koni andere Perspektiven, andere Argumente kennenlernen durfte, die mich sicherlich alle – mal mehr, mal weniger – weitergebracht haben. Genauso übrigens, wie unser Austausch und unsere Zusammenarbeit bestimmt auch Koni verändert haben. Grundsätzlich ist unsere Verbindung, glaube ich, wie der Eurotunnel zwischen England und Frankreich: eine langfristig gedachte, stabile Verbindung zwischen zwei Welten. 

 

Herr Schnyder, Herr Rhomberg, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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