Maschinen

Die neuen H4-Lokomotiven

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Lesedauer: 5 Minuten

Seit Dezember 2022 sind modernste H4-Lokomotiven für die RSRG im Einsatz. Die Letzte der fünf "Neuen" wurde im April 2023 in Betrieb genommen. Seither haben sie bereits eine Vielzahl von RSRG-Baustellen unterstützt. Zeit für ein erstes Fazit. 

  

Serkan Kahraman, Betriebsdisponent Baustellen und Lokomotiven, beantwortet unsere Fragen rund um die H4-Lokomotiven und die bislang gemachten Erfahrungen. Er hat seine Antworten mit Eduard Vetterli koordiniert, der in seiner Funktion als Leiter Instandhaltung Schienenfahrzeuge & Logistik die Beschaffung leitete und das Fahrzeug technisch betreut. 

Wie arbeitet es sich mit den H4-Lokomotiven?

Wir sind sehr zufrieden.  

Insbesondere der Einsatz beim Umbau der E-Gruppe im Rangierbahnhof in Basel war eine gute Bewährungsprobe für die H4. Hier musste sie zeigen, dass sie auch im Dauereinsatz, mit zum Teil 48 Stunden am Stück an den Wochenenden, durchhält und den Lokführer:innen gute Dienste leistet. 

Zu Beginn zeigten sich noch ein paar Kinderkrankheiten, aber auch bedienungstechnische Fehler. Wir konnten die Fehler jedoch zusammen mit den Lokführer:innen und der Alstom recht zügig beseitigen.  

Zum aktuellen Zeitpunkt können wir allerdings noch nicht genau sagen, wie zuverlässig die Maschinen sein werden, da uns einfach noch die Erfahrung fehlt. Wir sind aber auf einem guten Weg, da die bisherigen Monate zeigten, dass die Kinderkrankheiten immer seltener werden und die Bedienungsfehler sich seltener oder gar nicht mehr zeigen. 

In welchem Bereich kommen die H4-Lokomotiven zum Einsatz?

Seitdem wir die ersten Maschinen haben, haben wir diese im Bereich der Überfuhren für unseren Maschinellen Gleisbau und auf Baustellen eingesetzt. Aber auch für unsere Kund:innen wie Furrer und Frey, Elbatech auf Baustellen und für Eberhard im Rangierbetrieb usw. 

Werden die H4-Loks sowohl im Güterverkehr als auch in der Baustellenlogistik genutzt?

Hier müssen wir ganz klar sagen, dass die Lok nicht für den klassischen Güterverkehr gedacht ist. Die Lok wird im Bereich der Überfuhren von Gleisbaumaschinen, Baustellenverkehr und der Tageslogistik von Baustellen, aber auch auf Baustellen selbst eingesetzt. Unser Fokus liegt dabei aktuell mehr auf dem Einsatz auf Baustellen selbst, damit wir viele interne Baustellen abdecken können. 

In welchem Bereich erleichtert die H4-Lok die Arbeit? Wo bringt sie Vorteile?

Auf den Zielgleisen steht kein Strom zur Verfügung, weshalb man für die Überfuhren eine zusätzliche Diesellok mitschleppen oder eine Rangierleistung am Zielbahnhof disponieren muss. Dieser Zwischenschritt fällt dank dem bimodalen Antriebssystem der H4 Loks weg.  

Kurz gesagt: Der Hauptvorteil ist, dass wir bis ins gewünschte Zielgleis fahren können, ohne dabei abhängig von einer zweiten Lok oder gar einem anderen Team zu sein. 

Sie haben eben den bimodale Betrieb genannt. Was kann man darunter verstehen?

Normalerweise wird eine Lokomotive nur mit Diesel oder elektrischer Energie betrieben. Bei einer bimodalen Ausrüstung kann die Lokomotive mit zwei unterschiedlichen Energiequellen betrieben werden, nämlich Diesel oder Strom. Im Elektromodus wird die Lokomotive über die Fahrleitung gespeist, was effizienter und umweltfreundlicher ist als der Dieselbetrieb. Ausserdem hat die H4 für den im Elektromodus die doppelte Leistung als im Dieselmodus. Auf den Dieselmodus können wir zurückgreifen, wenn zum Beispiel keine Fahrleitung vorhanden ist oder wenn diese ausgeschaltet ist. Der bimodale Betrieb trägt dazu bei, die Flexibilität von Lokomotiven zu erhöhen und eine höhere Energieeffizienz zu erreichen. 

Wie funktioniert das Umschalten vom elektrischen Antrieb zum Dieselmotor?

Das Umschalten vom Diesel- auf den Elektro-Betrieb und umgekehrt funktioniert in wenigen Sekunden. Systembedingt funktioniert das Umschalten in beide Richtungen, bei einer Geschwindigkeit von unter 40 km/h. 

In welchem Verhältnis werden der elektrische Einsatz und der Betrieb mit dem Dieselmotor genutzt?

Zum aktuellen Zeitpunkt ist dies noch schwer zu beantworten. Das ist auch abhängig von den Einsatzgebieten. Zurzeit ist der Einsatz unter dem Fahrdraht 40% und im Dieselbetrieb 60%. Dieser Wert wird bestimmt vom Baustellenbetrieb-Anteil. 

Aus welcher Quelle wird der Strom für den Antrieb der H4 bezogen?

Die SBB betreiben mehrere eigene Bahnstromwerke, die den für den Betrieb der Züge benötigten Strom erzeugen. Die meisten Bahnstromwerke nutzen Wasser oder Kernenergie als Energiequelle. Ein bedeutender Anteil des Bahnstroms wird beispielsweise vom Kernkraftwerk Leibstadt produziert. Ein weiterer Teil des Bahnstroms wird von Wasserkraftwerken in den Schweizer Alpen erzeugt. 

Die Züge der SBB fahren schon jetzt mit 90 Prozent Energie aus Wasserkraft. Die restlichen 10 Prozent stammen aus herkömmlichen Quellen. Bis 2025 soll der Bahnstrom ganz aus erneuerbaren Quellen stammen. 

Wo werden die H4-Lokomotiven derzeit eingesetzt?

Die H4-Loks sind speziell für den SBB-Infrastruktur-Einsatz in der Schweiz entwickelt worden. Sie erfüllen die Vorschriften und Reglemente in der Schweiz, insbesondere in Bezug auf die Zugsicherungssysteme und die Fahrleitungsspannung.  

Im Ausland, sowie den grenzüberschreitenden Verkehr können sie leider nicht eingesetzt werden, weil sich die Zulassung auf die Schweiz beschränkt. Es handelt sich um eine «nicht interoperable Lokomotive», die nicht TSI-konform ist. 

Mit einem professionellen Unterhalt in den eigenen Werkstätten soll ein emissionsarmer und effizienter Einsatz sichergestellt werden. Klappt das? Wie wartungsintensiv sind die H4-Loks?

Die Lokomotive ist durch den elektrischen Antriebsstrang im Vergleich zu einer dieselhydraulischen Lokomotive wartungsärmer. Der Dieselmotor gibt den Takt der Instandhaltungsintervalle vor. Wenn die Lokomotive zu zwei Dritteln elektrisch betrieben wird, beträgt der Intervall der präventiven Instandhaltung vier bis sechs Monate, abhängig von den Schichteinsätzen. Bei reinem Dieseleinsatz reduziert sich der kleinste Instandhaltungsintervall auf 480 Betriebsstunden. 

Wie misst die RSRG die CO2-Reduktion? Wie viel tragen die H4 zur Reduktion insgesamt bei?

Natürlich leistet der Elektroantrieb einen grossen Beitrag zur CO2-Reduktion und ist umweltschonender als ein herkömmlicher Dieselantrieb.  

Wir können das Äquivalent vom Dieselverbrauch im Vergleich zur elektrischen Energie ableiten. Die elektrische Energie wird auf der Lok gemessen. Wenn man diesen elektrischen Energieverbrauch mit drei multipliziert, ergibt es die Menge an thermischer Dieselenergie, die benötigt wird, um dieselbe Energie auf die Schiene zu bringen. 

Bei einem Betriebseinsatz von 50 % Dieselbetrieb und 50 % Fahrdraht, wird der CO2-Ausstoss der H4-Flotte der RSRG bei 220 Schichten Einsatz pro Lok und Jahr um 420 Tonnen reduziert. 

Was wir effektiv einsparen werden, kann erst in einem Jahr statistisch nachgewiesen und sinnvoll genannt werden.  

Wer bedient zurzeit die fünf Lokomotiven?

Die Loks werden von unseren eigens ausgebildeten und geprüften Lokführern bedient. Bei den Transporten sind jeweils ein Lokführer und eine Begleitperson dabei. Es sind bereits zehn Personen ausgebildet und weitere folgen. 

Factbox Alstom Prima H4

  • Entwickelt und produziert in Belfort, Frankreich  
  • Seit April 2023 sind 5 H4-Loks für die RSRG im Einsatz 
  • Spurweite: Normalspur 
  • Höchstgeschwindigkeit: 120 km/h 
  • Tankinhalt: 2000 Liter Diesel 
  • Stromsystem: 15 kV, 16,7 Hz 
  • Besonderheiten:
    Bimodales Antriebssystem (E-Motor und Dieselmotor) 
    Mehrfachtraktion von maximal vier Lokomotiven im Verbund möglich
    Wartungsarm  
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